Wer nicht wählt, bleibt stumm

Erwachsene vor Hintergrund mit Wahlkreuzen

Millionen von Menschen leben in Deutschland, nehmen aber nicht an politischen Wahlen teil. Die Gründe dafür unterscheiden sich stark: Besonders Menschen mit wenig Geld und geringer Bildung verzichten darauf, ihr Wahlrecht zu nutzen. Andere haben kein Recht zu wählen, auch wenn sie seit Jahren in Deutschland leben. Was hat das für Folgen? Und: Müssen und können wir etwas dagegen tun? Diskutieren Sie mit unten in den Kommentaren!

Alle Bürger/innen haben in Deutschland das Recht zu wählen – unabhängig von Geldbeutel und Schulabschluss. Doch Studien zeigen: Menschen mit wenig Geld, geringer Bildung und ohne Job gehen seltener zur Wahl als Gutgebildete mit sicherem Einkommen. Zahlen der Bertelsmann Stiftung machen die Spaltung deutlich. So gab es bei der letzten Bundestagswahl in den Stimmbezirken mit der niedrigsten Wahlbeteiligung im Vergleich zu den Bezirken mit der höchsten Wahlbeteiligung:

  • 1,5-mal so viele Haushalte aus schwierigen sozialen Lagen,
  • mehr als 3-mal so viele Arbeitslose
  • und 1,7-mal so viele Menschen ohne Schulabschluss.
  • Außerdem hatten diese Haushalte nur zwei Drittel der Kaufkraft im Vergleich zu den Haushalten aus den Stimmbezirken mit der höchsten Wahlbeteiligung.

Sozial abgehängt, demokratisch stumm

Das bedeutet, dass unter den knapp 25 Prozent der Wahlberechtigten, die ihre Stimme bei der letzten Wahl nicht abgaben, besonders viele Menschen aus sogenannten sozial prekären Milieus kommen. Das heißt, Menschen mit wenig Geld und Bildung haben weniger Einfluss genommen auf die politische Entwicklung in unserem Land. Wer sich wirtschaftlich, sozial und kulturell auf die Zuschauerbank verdrängt fühlt, scheint diesen Platz auch bei Wahlen nicht mehr verlassen zu wollen oder sich dazu nicht wichtig oder kompetent genug zu fühlen. Dies widerspricht demokratischen Idealen, nach denen Wahlen politische Herrschaft rechtfertigen und sich die vielfältigen Interessen und Anschauungen der Bevölkerung im Parlament widerspiegeln sollen.

Untersuchungen zu Nicht-Wähler/innen der Vergangenheit haben ergeben, dass fast 90 Prozent von ihnen eher wählen würden, wenn "die Politiker wieder ein Ohr für die wirklichen Sorgen und Nöte der Menschen haben". Für den DGB ein Grund mehr, sich für staatliche Investitionen einzusetzen, die Sicherheit geben und dafür sorgen, dass sich niemand zurückgelassen fühlt. Was denken Sie: Wie kommt es zu dieser sozialen Spaltung bei der Wahlbeteiligung? Und was kann dagegen getan werden?

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Kein deutscher Pass, kein Wahlrecht für 9 Millionen

Neben den Menschen, die ihr Wahlrecht nicht ausüben, gibt es mehr als 9 Millionen volljährige Menschen, die den Bundestag nicht mitwählen dürfen. Der Grund: Sie haben keinen deutschen Pass. Und auch an Kommunalwahlen können neben deutschen Staatsbürger/innen nur EU-Bürger/innen teilnehmen.

Fachleute warnen vor einem Demokratie-Defizit. Denn ein großer Teil der Bevölkerung, immerhin mehr als jeder Zehnte, ist vom Wahlausgang betroffen, darf sich aber nicht an der Wahl beteiligen. Zuwanderer sind so von einem essenziellen Bürgerrecht ausgeschlossen. "Wir erwarten von Menschen, die nach Deutschland gekommen sind, dass sie sich in unsere Gesellschaft integrieren – gleichzeitig schließen wir sie häufig für sehr lange Zeit von politischen Entscheidungen aus. Das passt nicht zusammen und muss sich ändern“, fordert DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Andere Staaten ermöglichen Ausländern eine größere demokratische Teilhabe, zum Beispiel mit einem kommunalen Ausländerwahlrecht, leichterer Einbürgerung oder der doppelten Staatsbürgerschaft. Gerade über das kommunale Wahlrecht auch für Nicht-EU-Ausländer/innen müsse auch in Deutschland mehr diskutiert werden, so Piel. Schreiben Sie uns von Ihren Erfahrungen und Ihrer Meinung zu dem Thema.

Wahlalter runter?

Neben einer Ausweitung des Wahlrechts auf Ausländer/innen, die dauerhaft in Deutschland leben, gibt es immer wieder Forderungen, das Wahlalter zu senken. Auch im Zukunftsdialog fordert zum Beispiel eine Dialogkarte aus Südwestsachsen ein Wahlrecht ab 16. In vier Bundesländern ist das bei Landtagswahlen bereits Realität. In elf Ländern können 16- und 17-Jährige außerdem bei Kommunalwahlen abstimmen. Aber für die Teilnahme an Bundestagswahlen muss man weiterhin 18 Jahre alt sein. Die DGB Jugend macht sich für eine Absenkung des Wahlalters stark: "Wir brauchen mehr Möglichkeiten, um jungen Menschen Mitwirkung zu ermöglichen. Da liegt der Ball nun bei der Politik. Wir fordern seit langem, dass Jugendliche schon mit 16 Jahren wählen dürfen, nicht erst mit 18," so DGB-Bundesjugendsekretärin Manuela Conte. Schließlich tragen sie künftig die Konsequenzen von Entscheidungen, bei denen sie heute ausgeschlossen werden. Eine aktuelle Studie der Otto-Brenner-Stiftung kommt zu dem Ergebnis: "Die Sorgen der Skeptiker/innen, dass es 'diesen jungen Leuten' an Reife fehle, scheinen nicht begründet." 16-Jährige sind demnach genauso informiert und interessiert an Politik wie 18-Jährige. Was halten Sie von der Idee, das Wahlalter zu senken? Diskutieren Sie mit.

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Kommentare

Viele Menschen die von dieser Gesellschaft abgehängt bzw. benachteiligt werden, sehen in keiner der Parteien die in Deutschland das Sagen haben, Vertreter ihrer Klasse. Und das erfolgreiche mediale Unterdrücken bzw Diskeditieren von sozialistischen Strömungen wie DKP oder KPD führt zu einer fehlenden Wahrnehmung genau dieser Möglichkeiten bei genau diesen Menschen.

Geringe Bildung, geringes Einkommen?

Seit der letzten (verspäteten) Reform eines der wichtigsten Instrumente, die unser Staat nutzt, um den Arbeitsmarkt zu regulieren, der sog. Hartz IV Reform, werden Arbeitslose und Geringverdiener öffentlich diffamiert, herabgewürdigt und offen beschimpft.
Nicht nur Artikel 1 GG:(Die Würde des Menschen ist unantastbar,) wurde hier zumindest politisch geduldet, für Betroffene außer Kraft gesetzt.

Politik und Medien vermitteln seitdem tagtäglich, dass Jeder, der in Deutschland lebt und über eine geringe Bildung und/oder ein geringes Einkommen verfügt, selbst daran Schuld trage.
Ganz sicher sind demnach weder Bildungs- noch Arbeitsmarktpolitik oder sonstige Entscheidungen, die politisch beeinflussbar wären, dafür mit verantwortlich?

Wieso sollte also Jemand, der letztlich selbst verantwortlich ist für seine Situation und für den Politik nichts verbessern könnte, wählen gehen?

U.a. denke ich, dass auch diese Menschen wieder Interesse an Wahlen bekommen würden, würde man ihnen nicht permanent vermitteln sie seien zu dumm und zu ungebildet, um sich eine eigene Meinung bilden und Entscheidungen treffen zu können.

Ich finde es ist ja grade das was teilweise die Staatsbürgerschaft ausmacht. Wählen zu gehen und mitzuentscheiden.
Auf lokaler Ebene kann ich mir zwar Ausnahmen vorstellen aber nicht auf Landtags- oder Bundesebene. Wer seinen Lebensmittelpunk und Zukunft in Deutschland sollte ein Weg zur Staatsbürgerschaft offen stehen.

Wieso sollten Menschen, die legal hier leben, sich aber bewusst dafür entscheiden, die Staatsbürgerschaft nicht anzunehmen, hier wählen dürfen. Sie haben ja weiterhin die Möglichkeit, in ihrem Heimatland mitzuentscheiden.
Bei Menschen, die sich hier unerlaubt aufhalten, bestenfalls geduldet sind (was auch nur eine Aussetzung der Abschiebung ist), stellt sich die Frage ja hoffentlich niemand ernsthaft. Das ergibt sich schon aus dem Status.
Und diejenigen Menschen, die gern hier Staatsbürger werden würden, darüber aber noch nicht entschieden wurde, müssen eben warten, bis es entschieden ist. Wenn ihnen Asyl gewährt wird, dann spricht aus meiner Sicht nichts dagegen.
Insgesamt ist es einfach: Gäste haben sich den Regeln des Gastgebers zu beugen. Es steht ihnen frei, jederzeit zu gehen, wenn sie diese nicht gut finden. Erkennt der Gastgeber, dass er seine Gäste vergrault, muss er seine Regeln anpassen, um attraktiver zu werden. Simple as that

Im Grunde ist 18 schon zu früh, 16 wäre noch problematischer. Je jünger desto mehr davon tendieren Wähler anteilig zu den politischen Rändern da Adoleszenten zu einfachen schwarz-weiß Betrachtungen neigen. Was landläufig unter Altersweisheit läuft ist ja auch und vor allem die zu sehen welche Entscheidungen welche Konsequenzen haben und als Mensch daraus zu lernen. Eine Weile passiv zuzuschauen ermöglicht es dann bei Erreichen des Wahlalters mehr von diesen Menschen eine informierte Entscheidung zu treffen. Da wäre 21 an sich schon besser als 18.
Der eine oder andere wird an dieser Stelle impulsiv einwenden, dass auch ältere Wähler zu den Rändern tendieren oder anderweitig politisch unvernünftig sein können aber das verfängt natürlich nicht. Den Anteil gibt es immer, unter Jüngeren ist er eben altersbedingt größer.
Ganz davon abgesehen könnte die Absenkung des Wahlalters auch die soziale Frage verschärfen. Man muss sich nur mal anschauen, wer und aus welchen Schichten sich in dem Alter politisch interessiert und wer es eben nicht tut bzw. in welchen Schichten nicht. Das lässt weitreichende Konsequenzen wahrscheinlich werden. Die "Elitisierung" der Politik könnte sich beschleunigen, das sorgt bereits jetzt für eine Entfremdung zwischen der Politik und breiten Wählerschichten. Außerdem erhöht es den Anteil der Nichtwähler, was wie die AfD zeigt großes Aktivierungspotential für populistische Bewegungen bietet.

Und um dem auch noch gleich vorzugreifen: Es ist gut, dass ich mit 16 nicht wählen durfte. Ich war (politisch) ein Idiot. Die meisten sind das in dem Alter, wenn auch natürlich nicht alle. Ein paar Jahre im Berufsleben (das gilt natürlich auch für Studium oder sonstiges "echtes Leben") nach der Schule haben mir bei vielen Dingen eine neue Perspektive verschafft.

Jüngere Menschen tendieren nicht mehr zu den politischen Rändern. Das zeigt die Jugendwahl U18 ganz klar. Daran kann man erkennen, dass die jungen Menschen sehr genau überlegen, wem sie ihre Stimme geben - und das Ergebnis weicht auch nicht grundsätzlich von dem der Erwachsenen ab. Ohnehin wirkt es eher so, als würden gerade ältere Menschen in den vergangenen Jahren vermehrt zu den (Rechts-)Extremen neigen, das sieht man an den Wahlergebnissen der AfD ganz deutlich. Durch das Wahlalter 16 gewinnen vor allem etablierte Parteien an Attraktivität und Innovationskraft. Wählen zu dürfen gibt jungen Menschen demokratischen Halt und beugt extremen Haltungen vor.

"Eine Weile passiv zuschauen" sorgt nicht für politisches Interesse, sondern eher zu Politikverdrossenheit: "Die da oben kümmern sich ja nicht um mich". Umgekehrt: Wer wählen darf, interessiert sich auch mehr für Politik, diskutiert mit anderen über Politik und überlegt gründlich, bevor eine Wahlentscheidung getroffen wird. Außerdem müssten die Parteien dann auch junge Menschen endlich in den Blick nehmen - und sie ernst nehmen.

Ihr einzig bedenkenswerter Punkt ist die soziale Frage. Wahlalter 16 soll nicht dazu führen, dass noch mehr gebildete vom Wahlrecht Gebrauch machen und weniger priviligierte ihre Stimme nicht abgeben. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung zu Wahlalter 16, würde die Absenkung sogar die soziale Spaltung VERRINGERN: Die Forscher_innen sehen in der Absenkung des Wahlalters eine Chance, die soziale Spaltung Jugendlicher hinsichtlich ihrer politischen Sozialisation und Integration zu verringern: Wenn es gelingt, Menschen mit niedrigerem sozialen Status und schwächerem Bildungsgrad in jungen Jahren zu Wahlen zu mobilisieren, dann wirkt diese Aktivierung perspektivisch dem Auseinanderdriften der sozialen Milieus hinsichtlich ihrer Beteiligung an demokratischen Prozessen entgegen. Das gestiegene politische Interesse tragen die Jugendlichen überdies in ihre Familien zurück. Damit setzen sie Impulse für eine größere Bereitschaft zur Wahlteilnahme der Eltern und älterer Familienangehörigen.

Schöne Grüße vom Landesjugendring Berlin - wir setzen uns seit 10 Jahren für die Absenkung des Wahlalters ein. In Berlin fehlen derzeit dafür nur noch 4 Stimmen von der CDU zur 2/3-Mehrheit im Parlament. Unsere Kampagne dazu: www.wahlaltersenken.berlin.

Eigentlich gibt es schon ein Problem, dass viele ungebildete / apolitische / einfach unwissende Menschen wahlen gehen. Und deswegen ist die Alter kein Faktor. Mein Vorschlag wäre, dass jeder, der wahlen möchte, bevor ein Test über Politik schreibe, der ähnlich wie Einbürgerungstest seie. Damit können wir auf solche unlogische Stimmen in Wahlen verzichten.

Jeder Mensch, welcher sich dauerhaft in Deutschland aufhält sollte auch über eine Stimme verfügen. Eine mögliche Definition von dauerhaft wäre die Staatsbürgerschaft oder/und seit mindestens 4 Jahren und mehr als 180 Tage p.a. ( keine Sorge dass Finanzamt weiß Bescheid). Für Kinder sollte die Stimme entsprechend des Sorgerechts mit verwaltet werden bis diese selbst wählen dürfen. Für zum Beispiel demente Menschen, dann wiederum durch die entsprechenden Kinder. Dies würde familienfreundlicher sein und alle besser berücksichtigen. Das hier denkbare Risiko, dass die Eltern nicht zum Vorteil des Kindes wählen besteht zwar ist aber ggü. allen anderen Entscheidungen, welche diese für das Kind treffen dürfen zu vernachlässigen. Weiterer Vorteil wäre, dass das Kind mit dem Wissen, dass seine Eltern eine Stimme zusätzlich haben dieses mit zunehmendem Alter auch hinterfragen wird und somit schrittweise an Politik herangeführt wird.

in meiner Jugendzeit hieß es oft, dass die Jugend unpolitsch sei. Und im Vergleich zur heutigen (internationalen) Jugend ( FFF ) ist das auch vollkommen richtig. Aber angesichts des großen Engagements und Erfolges von FFF mache ich mir über das politische Engagement der Jugend keine Sorgen mehr. Für eine Absenkung des Wahlalters sehe ich keine Notwendigkeit mehr. Ggf. sollte auch die Altersgrenze für die Volljährigkeit herabgesetzt werden Das hätte dann auch zur Folge, dass das Jugendstrafrecht bei jüngeren Menschen nicht so lange anwendbar ist.
Außerdem möchte ich in Erinnerung rufen, dass es Staaten gibt, die die Ausbürgerung erschweren. Wer z.B. türkischer Staatsangehöriger ist, muss sogar aus seiner Staatsangehörigkeit entlassen werden. Als freiheitsliebender Mensch betrachte ich solche gesetzlichen Einschränkungen als Respektlosigkeit/ Frechheit dem freien Menschen gegenüber.
Wenn ich jahrelang im Ausland leben und dort sozial integriert wäre würde ich die dortige Staatsbürgerschaft beantragen. Die Türkei legt ausbürgerungswilligen Menschen Steine in den Weg, obwohl es selbstverständlich ist, dass man aus einem politischen System austreten darf ( die türkischen Menschenrechtler haben offenbar zu wenig Einfluss in der Türkei )

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